#18 Martin Walser: Warum Du Deinen Weg gehen kannst, ohne ihn zu kennen!
Shownotes
Das eigene Vorhaben erscheint häufig kompliziert und aufwendig. Wir meinen, 1.000 Dinge vorab bedenken und planen zu müssen. Und es liegt vermeintlich komplett in unserer eigenen - und nur in unserer eigenen - Verantwortung, dass es vorangeht. An dieser Stelle bietet der Schriftsteller Martin Walser eine andere Sichtweise an: Wir haben viel weniger zu tun, als wir glauben - und bekommen jede Menge Hilfe von außen… erfahre mehr dazu in dieser Folge von Change Poetry!
Über CHANGE POETRY: Susanne Backer und Arne Bremer überraschen sich wechselseitig mit Fundstücken aus Gedichten, Reden, Filmen und Musik. Sie testen, was passiert, wenn man diese Worte zum ersten Mal hört. Bringen sie uns in Bewegung? Ein Spaß für alle, die auf spannende Zitate stehen und Inspiration für Lebens- und Changethemen suchen. Du hast ein tolles Zitat oder eine Anmerkung? Schreib an post@change-poetry.de.
In dieser Folge von Change Poetry bringt Arne die letzte Zeile aus dem Gedicht “Mut” von Martin Walser mit: “Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.” Es stammt aus seinem Buch “Wer kennt sich schon. Lektüre zwischen den Jahren” (1992).
Gesprächsinhalte:
- Zitat bei 01:33
- Macht ein Bild auf: Man sieht die Schritte vor sich und wie die Wegplatten sich unter die Füße ziehen. Bloß nicht stehen bleiben, sonst gibt´s keine Platte mehr!
- In dem Moment, wo ich auch nur einen kleinen Schritt mache, zeigt sich die Wegplatte und ich sehe einen Teil des Weges. Es geht darum, in der kleinsten Bewegung zu bleiben und zu schauen, wo es mich hinträgt.
- Sagt aus: Alles, was ich machen muss, ist den nächsten Schritt zu machen. Dann wird der Boden da sein. Und was passiert, passiert. Ich mache den Boden nicht selbst, meine Aufgabe ist es, den Schritt zu machen. Eine spannende Logik!
- Es bedeutet viel Mut, in die Bewegung zu gehen, ohne vorher zu wissen, was sich dann zeigt.
- Leistungsgesellschaft verlangt immer nach Plänen. Leben an sich funktioniert aber eher wie hier beschrieben. Es ist aber gut, eine Idee davon zu haben, wer wir sind und wo wir hinwollen.
- Erinnert auch die Journaling-Praxis: Während man schreibt, ergeben sich intuitiv die Worte. Das ist eine ähnliche Bewegung. Beruhigend: Es passiert da auch etwas außerhalb von mir, das sich kümmert und den Weg unter meine Füße schiebt. Das ist geheimnisvoll!
- Wir halten uns in einem größeren System auf und dieses Gefüge leitet uns auch dort an, wo wir den nächsten Schritt nicht kennen. Größerer Sinnzusammenhang nimmt uns mit in die richtige Richtung.
- Zusammenspiel von Körper und Geist: Durch körperliche Bewegung kommt auch der Geist wieder in Gang und verstoffwechselt anders. Das kann man nutzen, etwa durch Spaziergänge. Wenn es hakt im Kopf, kann es sehr hilfreich sein, den Körper zu bewegen.
- Es stecken auch agile Prinzipien in dem Satz: Nächster Schritt, anpassen, verwerfen, irgendwann ist man da.
- Arawana Hayashi von Otto Scharmers “Theory U”: “Social Presence Theater”, über Bewegung des Körpers Changeprozesse aktivieren. Über den Körper kann man den nächsten wahren Schritt herausfinden.
- Warum haben wir Angst davor, in die Bewegung zu gehen?
- Dieser Satz gibt die Antwort: Wir haben zunächst immer die Sehnsucht, den Weg zu kennen, um ihn gehen zu können. Dafür ist aber die Welt zu komplex, man kann den Weg nicht kennen. Deswegen sind wir in der Blockade. Dieser Satz bietet die Lösung, indem er sagt: Du kannst trotzdem gehen. Denn in dem Moment, wo Du den Schritt machst, kannst Du den Weg sehen und deswegen doch gehen, denn der Boden wird da sein. Heißt aber auch, dass der Stehenbleibende niemals den Weg wird sehen können. Losgehen ist der Teil, den ich leisten muss.
- Der Satz ist ein Aufruf zum Mut, die vorgefertigten, auf Sicherheit angelegten Gesellschaftsbahnen zu verlassen. Denn das, was dann wartet, ist vielleicht viel stimmiger für einen selbst. Und die Belohnung größer.
- Immer wieder herausfordernd. So knackig der Satz ist, so herausfordernd bleibt es, immer wieder nach vorne zu gehen. Wenn ich an diesen Satz glaube, habe ich schon einen Teil der Angst genommen.
- Vertrauen, darauf, dass etwas kommt, ist hier ein zentrales Thema. Wenn ich das Bewußtsein für dieses Urvertrauen habe, kann ich diesen Moment trainieren wie einen Muskel.
- Es bleibt aber ein Wagnis und es gibt genau so Menschen, die dabei alles und sich selbst verloren haben.
- Vielleicht ist das aber das allgemeine Lebensrisiko. Denn etwas anderes, als den nächsten Schritt zu tun, können wir gar nicht machen.
- Wichtiger Satz für Momente des Zögerns. Das Bild der sich bildenden Bodenplatte hilft in dem Moment, doch den nächsten Schritt zu wagen. Das lässt sich aktivieren.
- Daten über mein Vorhaben kann ich nur sammeln, wenn ich einen Schritt vor den anderen mache. Ansonsten bleiben es reine Gedanken im stillen Kämmerlein.
- Es bleibt eine Frage des Mutes, hier lohnt es, das gesamte Gedicht Walsers zu lesen.
Martin Walser bei wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Walser
Transkript anzeigen
00:00:00: "Change Poetry"
00:00:07: Herzlich willkommen, wir sind Susanne Baccar und Arne Bremer.
00:00:11: Wir erkunden hier Fundstücke aus Gedichten, Filmen und Musik.
00:00:15: Wenn Worte uns in Bewegung bringen, kann das der erste Impuls für Veränderung sein.
00:00:21: Arne, es ist ein schöner Sommertag, wir podcasten wieder.
00:00:32: Ja, wir sind drin und gehen später in die Sonne.
00:00:35: Und jetzt geht es erstmal wieder um "Change Poetry" und ein inspirierendes, hoffentlich inspirierendes Zitat.
00:00:43: Ja, du bist dran, ich darf zuhören, ich freue mich schon drauf.
00:00:46: Ja, ich freue mich auch schon, das hier für dich mitzubringen.
00:00:49: Ich habe heute etwas dabei vom deutschen Schriftsteller Martin Walzer.
00:00:55: Der wurde geboren 1927 und ist verstorben vergangenes Jahr 2023.
00:01:03: Und er hat einen Band, ein Buch herausgebracht im Jahr 1992.
00:01:09: Das heißt, wer kennt sich schon, leckt Türe zwischen den Jahren.
00:01:14: Und darin gibt es ein Gedicht mit dem Titel "Mut".
00:01:19: Übrigens, in seiner Gänse das Gedicht großartig.
00:01:23: Ich möchte hier aber heute bringen die allerletzte Zeile aus diesem Gedicht "Mut" von Martin Walzer.
00:01:30: Are you ready?
00:01:31: Yes, I am.
00:01:32: Okay.
00:01:33: Oh, ich liebe diesen Satz, ich liebe ihn total.
00:01:51: Kanntest du ihn?
00:01:53: Ich kenne ihn schon, das ist schon witzig, wenn ich den jetzt so höre, ist er irgendwie, ich kenne ihn und gleichzeitig ist er neu.
00:02:05: Ja, es kann absolut passieren, dass wenn wir jetzt Zitate mitbringen und uns gegenseitig überraschen,
00:02:10: dass einfach wirklich mal was dabei ist, das schon bekannt ist, völlig klar.
00:02:15: Na ja, ehrlich gesagt, mein letztes Zitat oder häufig Songtext oder so, wir kennen ja teilweise auch die Songs.
00:02:23: Die Frage ist ja, wie kommt es hier rein gerade in unseren kleinen Austausch und...
00:02:29: Was macht das heute mit uns und jetzt gerade?
00:02:32: Genau. Also, was ich merke, dass es also einfach ein Bild aufmacht.
00:02:40: Ja.
00:02:41: Ich höre das Zitat und ich sehe halt vor mir die Schritte und wie sich da so wie Steine so Wegplatten, sagen wir mal, unter diese Füße ziehen.
00:02:51: Und ich habe so ganz im Vage das Gefühl, weitergehen, einfach weitergehen, nicht stehen bleiben, da gibt es keine Platte mehr.
00:03:03: Und wenn es kleine Schritte sind, ganz egal. Und wenn die Schritte auch noch nicht, also das finde ich jetzt gerade, wenn ich da tiefer reingehe,
00:03:13: selbst wenn die Schritte klein sind und ich weiß noch gar nicht in welche Richtung, in dem Moment, wo ich den Fuß anhebe und nach vorne bewege,
00:03:21: zeigt sich die Wegplatte und es wird wieder ein Schrittchen, mir klar, wo es lang geht.
00:03:28: Das heißt, eigentlich geht es wirklich darum, in der kleinsten Bewegung zu bleiben und zu gucken, wo es mich hin trägt.
00:03:36: Oh, das ist schön.
00:03:39: Genau. Ich habe fast ein identisches Bild damit. Ich finde, dass dieser Satz unheimlich imaginationfrei setzt.
00:03:47: Da erscheint sofort ein Bild. Du hast es vor Augen. Wie der Weg sich unter deinen Füßen bildet, schiebt sich darunter.
00:03:54: Das hat man sofort vor Augen, finde ich. Total.
00:03:58: Und genau. Was sagt uns das? Das sagt doch eigentlich, dass alles, was ich machen muss, ist, den nächsten Schritt zu machen.
00:04:08: Und dann wird der Weg da sein. Der Boden wird da sein.
00:04:12: Ich muss die Bewegung machen und das, was dann passiert, passiert.
00:04:18: Den Boden dahin zu setzen und die Wirkung und das ein Weg da entsteht für mich, das habe ich gar nicht im Griff,
00:04:26: sondern meine Aufgabe ist, diesen Schritt zu machen. Das finde ich eine irre spannende Logik.
00:04:33: Ich finde es auch gerade schön, dass du auch nochmal den Titel des Gedichts genannt hast, "Mut",
00:04:39: weil es bedeutet viel Mut zu gehen, wenn man vielleicht noch gar nicht so weiß, in welche Richtung es geht.
00:04:48: Also sozusagen die Überwindung in der Unsicherheit, trotzdem schon mal anzufangen, wieder einen Schritt in eine...
00:04:56: Also einfach nur in die Bewegung zu gehen, um dann zu gucken, was zeigt sich eigentlich, während ich anfange, mich zu bewegen.
00:05:02: Das finde ich einfach sehr, sehr ermutigend, bei genau dieser ersten Bewegung zu bleiben und noch gar nicht unbedingt es wissen zu müssen.
00:05:11: Wir sind ja in dieser Leistungshaltung, in unserer Leistungsgesellschaft und dem ganzen Leistungszwang,
00:05:19: in dem wir ausgesetzt sind, wo wir immer denken, wir müssen überhaupt erst mal den Plan haben, Leute mit reinholen und dann anfangen zu gehen.
00:05:26: Und ich glaube, Leben an sich funktioniert eben doch eher so. Ein bisschen losgehen und gucken und es zeigt sich auf dem Weg,
00:05:34: irgendwie wie sich die Dinge entfalten. Es ist schon gut, so was wie eine Idee zu haben,
00:05:42: sagen wir mal, von dem, wer wir sind und wo wir hin wollen, aber es ist unklar, wie der Weg wirklich dahin führt.
00:05:48: Insofern bin ich voll, voll bei diesem Satz, der ist echt wunderschön.
00:05:54: Und witzigerweise, es erinnert mich an auch diese Journaling-Praxis, wo du schreibst, ohne zu wissen, was du genau aufschreiben willst,
00:06:07: sondern du fängst an zu schreiben und während du schreibst, ergeben sich die Worte und es zieht sich irgendwie so eine kreative Bewegung
00:06:17: durch von deinem, sagen wir mal, in Verbindung von Herz und Kopf in den Stift hinein und irgendwann merkst du,
00:06:23: ah, du schreibst gerade einfach deine eigene Wahrheit, die heute die richtige ist, so auf. Und das ist eine ähnliche Bewegung.
00:06:31: Sehr, sehr, sehr schön.
00:06:36: Und für mich steckt auch noch etwas sehr Beruhigendes in diesem Satz oder, wie soll ich sagen, etwas, das einem Zuversicht und Mut geben kann.
00:06:47: Und zwar, dass da irgendeine Kraft am Werke ist, die sich kümmert, dass der Weg unter meine Füße gerät.
00:06:55: Irgendwas passiert ja ja außerhalb von mir. Der Weg schiebt sich darunter und das macht irgendjemand anders oder irgendetwas anderes.
00:07:03: Und dieses andere finde ich geheimnisvoll.
00:07:06: Und aber auch, es fühlt sich so an, als würde sich das um mich kümmern, dass es den Weg darunter schiebt unter meine Füße als gehender.
00:07:15: Also ich habe eine Wahrnehmung. Also ich bin da voll eigentlich dabei, dass wir alle in einem größeren System uns aufhalten
00:07:26: und das Systemgefüge irgendwie uns auch mitleitet und in dem Moment, wo wir uns sozusagen öffnen hin zu,
00:07:35: wir möchten jetzt in eine Richtung gehen, die unklar ist, aber irgendwas treibt uns ja auch innerlich an.
00:07:41: Also da gibt es auch schon, glaube ich, einen größeren Sinnzusammenhang, der uns dann auch mitnimmt hin in die Richtung,
00:07:48: die wir vielleicht schon so halb angedacht haben, aber wo wir den nächsten Schritt nicht kennen.
00:07:52: Gleichzeitig glaube ich auch an einen Zusammenspiel von Körper und Geist, was so etwas, sagen wir mal, in weniger Beachtung findet in unserer heutigen Zeit.
00:08:04: Aber ich glaube Körper und Geist spielen zusammen und dein Körper, wenn du den, wenn du dieses Zusammenspiel wahrnimmst und ausnutzt oder nutzt für deine Belange,
00:08:15: wie bei diesem Schreiben, was ich eben beschrieben habe, du kannst auch in körperliche Bewegung gehen und plötzlich ist dein Geist wieder eher angeregt
00:08:24: und funktioniert mehr und gibt dir mehr Infos frei und du kannst in eine Klarheit kommen.
00:08:30: Deswegen sind ja auch häufig gute Gespräche oder auch konfliktheftige Gespräche, kann man gut im Spazieren gehen führen,
00:08:38: weil der Körper in Bewegung auch anders Gedanken verstoffwechselt und verarbeitet und sich dadurch auch innerlich andere Bilder zeigen und andere Lösungsansätze.
00:08:51: Und deswegen ist dieses Ding, wenn es irgendwie hakt, im Kopf erstmal in eine Bewegung zu gehen körperlich,
00:08:59: ob das nun so ein Schreiben ist oder ein Spaziergang oder überhaupt irgendwie sich auf dem Weg zu machen, kann irgendwie hilfreich sein, um den Geist auch wieder zu befreien.
00:09:10: Also das finde ich ist auch so ein individuelles Ding, was in mir selbst abläuft.
00:09:15: Und gleichzeitig gibt es ja auch noch die Anbindung an größere Systeme, wie auch immer wir sie nennen wollen, auch eine Spiritualität, die da auch sein uns unterstützt.
00:09:26: Also sehr schön eigentlich.
00:09:29: Und ich finde, dass hier auch agile Prinzipien drin stecken.
00:09:37: Das ist eigentlich erstaunlich. Martin Weilser, 1992, hat hier, finde ich, vieles davon beschrieben, dass es immer darum geht, den nächsten Schritt zu machen.
00:09:46: Sich eben iterativ fortbewegen, neue Thesen anpassen, wieder verwerfen, nächsten Schritt, immer den nächsten Schritt.
00:09:53: Irgendwann bist du da oder du kommst vor allem voran und ich finde, dass das hier auch drin steckt?
00:09:59: Total. In dem Change Format Theoryou von Otto Schamer gibt es eine Frau, Aravana Hayashi, die hat diese Praxis Social Presencing Theater in die Welt gebracht,
00:10:15: wo sie über Körperbewegung Change Prozesse aktivieren kann.
00:10:23: Und das wird mittlerweile weltweit angewandt, auch in großen Unternehmen bei der UNO und so weiter.
00:10:31: Und die sagt immer, du kannst über deinen Körper den nächsten, the next true step abrufen.
00:10:40: Also wenn du reingehst in dein Thema, wo du nicht genau weißt und du gehst...
00:10:46: wirklich in eine innere Wahrnehmung so was würde dein Körper jetzt als nächstes tun?
00:10:50: Dann zeigt der Körper dir das.
00:10:54: Was ist der nächste wahre Schritt?
00:10:55: Was ist das einzig wahre, was du als nächstes tun kannst und eben auch nicht mehr?
00:11:00: Und es ist ein unglaublich schönes Format.
00:11:04: Ja enorm.
00:11:06: Also Martin Walzer hat hier unter 92 dann wirklich Themen angeschnitten, die heute sehr, sehr
00:11:11: modern sind und eine Allgemeingültigkeit haben offensichtlich.
00:11:15: Ja wieso haben wir eigentlich so Schwierigkeiten?
00:11:19: Das Witzige ist doch eigentlich, dass wir häufig, wenn wir nicht wissen, wie es weitergehen
00:11:23: soll, eben genau Angst davor haben in die Bewegung zu gehen.
00:11:26: Das ist doch eigentlich, ich kenne das auch von mir, dass ich dann denke, oh Gott, wenn
00:11:31: ich überhaupt nicht weiß, was jetzt mein nächster Schritt ist, ich warte erstmal ab oder
00:11:35: habe so eine Blockade und mag mich eben nicht auf den Weg machen und schon mal den Schritt
00:11:41: gehen, weil das mich eher verunsichert.
00:11:43: Ja ich finde, dass dieser Satz eigentlich alles zu der Frage, die du gerade gestellt
00:11:50: hast, bringt.
00:11:51: Denn unsere Sehnsucht ist doch, damit wir nach vorne gehen können, den Weg zu kennen.
00:12:01: Das ist die Sehnsucht.
00:12:02: Das gibt die Sicherheit.
00:12:04: Ich möchte den gesamten Weg kennen, dann kann ich ihn beginnen zu gehen, dann kann
00:12:09: ich einen Fuß vorn anernetzen.
00:12:11: Wir wissen, dass die Welt viel zu komplex ist, als dass wir einen Weg kennen können.
00:12:20: Geht nicht.
00:12:22: Deswegen, weil wir ihn nicht sehen können und weil wir ihn nicht kennen können, sind
00:12:27: wir in der Blockade und gehen gar nicht erst los.
00:12:29: Dieser Satz gibt uns aber Hoffnung und Zuversicht, indem er sagt, du kannst trotzdem gehen,
00:12:38: denn in dem Moment, wo du den Schritt machst, bildet sich der Weg, aber auch erst dann,
00:12:44: heißt ja auch im Umkehrschluss, dass der stehenbleibende niemals irgendein Stückchen vom Weg
00:12:50: wird sehen können, nur der Gehende.
00:12:53: Nicht besonders weit, weil nicht möglich, sondern nur die Zuversicht, der Boden wird
00:13:00: da sein, der Weg wird unter die Füße fluppen.
00:13:03: Das sagt dieser Satz und da kannst du plötzlich in die Bewegung kommen, obwohl du den Weg
00:13:10: nicht siehst, weil du weißt, er wird da sein, aber auch nur mir als Gehenden.
00:13:14: Dafür muss ich meinen Teil leisten und das ist loszugehen.
00:13:18: Ich finde, so witzig wurde das gerade so, sagst, fällt mir auf in was für einer Welt
00:13:27: wir eigentlich so in unserer Gesellschaft leben, wo es darum geht, möglichst viel Sicherheit
00:13:34: zu bekommen durch Versicherungen, durch programmierte Lebensläufe, durch möglichst der Erfüllung
00:13:43: von genau diesem, was du vorher gesagt hast, dass ich möchte eigentlich maximale Sicherheit
00:13:48: und von jetzt bis ans Ende meiner Tage wissen, dass alles safe ist.
00:13:52: Und das, dein Satz ist ja so ein Aufruf hin zum Mut rauszugehen ohne zu wissen, weil
00:13:59: eventuell das, was dann rauskommt, stimmiger ist für dich und vielleicht auch einfach
00:14:06: dich nochmal mehr belohnt als das, was du kriegen kannst, wenn du es alles safe abgesichert
00:14:11: hast und nie rausgehst und dich traust.
00:14:15: Ja.
00:14:16: Und ich finde es immer wieder herausfordernd, sich in so eine persönliche innere Agilität
00:14:22: rein zu bewegen und wieder sich daran zu erinnern.
00:14:26: Ich mache einen Schritt voneinander und schau, was nach dem nächsten Schritt passiert.
00:14:30: So knackig das hier rübergebracht wurde durch diesen Satz, so herausfordernd bleibt es
00:14:38: aber, oder?
00:14:39: Wie geht es dir damit?
00:14:40: Voll total.
00:14:41: Also ehrlich gesagt, ich merke gerade, dass ich etwas sehr spannendes aus diesem Satz
00:14:48: jetzt nochmal neu ziehe, obwohl ich den schon kenne und merke, es bleibt jetzt nochmal so
00:14:53: ein Bild im Kopf.
00:14:54: Also ich würde sagen, ich habe auch das Bedürfnis der Sicherheit.
00:14:58: Also ich bin da nicht frei von.
00:14:59: Ich hätte auch gerne irgendwie eine Art Safe-Ramen, in dem irgendwie, ja ich irgendwie keine Angst
00:15:07: haben muss oder wie auch immer mich gehalten entwickeln kann.
00:15:10: Aber wenn ich jetzt diesen Satz damit reinhole, dann merke ich an Teil jedenfalls von diesem
00:15:17: Sicherheitsbedürfnis, kann ich darüber auch ziehen, dass ich darauf vertraue, dass da definitiv
00:15:25: immer was kommt, weil ich das aus meiner eigenen Erfahrung kenne und weil mir auch dieser
00:15:30: Satz, diese Zuversicht, gibt.
00:15:32: Wenn ich mich raustraue und wage, wird sich etwas zeigen.
00:15:37: Wenn ich daran glaube, dann habe ich schon einen Teil meiner Angst eigentlich beruhigt.
00:15:44: Aber wirklich nur, wenn ich da wirklich daran glaube und dazu brauche ich wieder so ein
00:15:49: bisschen den Mut.
00:15:50: Also es ist schon auch ein Wagnis sich darauf einzulassen, reinzugehen mit dem Vertrauen,
00:15:57: dass da was kommt.
00:15:58: Das ist das ganze Ding.
00:15:59: Wenn ich das schaffe, wenn ich meine Aufmerksamkeit da reinlegen kann, dass ich wirklich daran
00:16:03: glaube, dass das kommt, dann kann ich gehen und dann wird es auch kommen.
00:16:07: Da glaube ich schon dran.
00:16:09: Und dieses Thema Vertrauen, das ist hier ein ganz Zentrales und ich finde, das ist etwas,
00:16:15: das man trainieren kann wie ein Muskel.
00:16:18: Wenn man ein Bewusstsein darüber entwickelt, das was ich jetzt hier gerade tue, ist ein
00:16:24: nächster Schritt.
00:16:25: Ich weiß aber gar nicht, wo die Reise wirklich hingeht.
00:16:27: Ich kann nur den nächsten Schritt machen und dann weiter schauen.
00:16:29: Wenn man das ab und zu mal tut und sich dessen bewusst wird, was da gerade passiert, finde
00:16:35: ich, kann dieses Vertrauen entstehen.
00:16:38: Immer mehr und über die Zeit und dann, ja, das ist wirklich wie ein Training und es wird
00:16:45: immer besser.
00:16:46: Dann zieht so etwas wie ein Urvertrauen, ich finde es ist tatsächlich hier, so etwas
00:16:51: wie Urvertrauen ins Leben, der Boden wird da sein.
00:16:54: So etwas kann dann pöa pö ins eigene Leben einziehen, weil man es schon öfter erlebt
00:16:59: hat.
00:17:00: Ja und ich komme nicht drum rum.
00:17:04: Es ist trotzdem noch ein anderer Gedanke, der auch Teil von diesem Großen ist, dass nicht
00:17:10: alle Menschen in dieser Sicherheit leben.
00:17:16: Also es gibt sehr viele Menschen, die genau das tun und wagen und dabei auch alles verlieren.
00:17:22: Das darf man nicht vergessen.
00:17:23: Es ist halt ein Wagner, was man eingeht und ich glaube daran, dass das als Grundprinzip
00:17:34: einem die Möglichkeit gibt, wirklich über sich selbst hinaus zu wachsen und etwas Neues
00:17:38: kennenzulernen, was man sonst nicht kennenlernen würde, nämlich, dass ebengehen etwas Neues
00:17:43: entsteht, was sonst nie entstanden wäre.
00:17:45: Und trotzdem muss ich noch mal sagen, eben es ist halt auch ein großes Risiko und es
00:17:52: gibt auch viele Menschen, die sehr viel und sich selbst verloren haben auf solchen Wegen.
00:17:57: Also.
00:17:58: Ich würde aber denken, dass es sich dabei dann um das allgemeine Lebensrisiko handelt.
00:18:04: Denn was passiert, weiß man nicht und was ist die Alternative?
00:18:11: Dass stehen bleiben, glaube ich, kann der Mensch nicht?
00:18:18: Alles was selbst geleistet werden kann, ich habe es ja schon gesagt, ist glaube ich, das
00:18:22: Knie zu heben, den Fuß zu bewegen und den Schritt nach vorne zu machen.
00:18:26: Das ist alles, was du selber zu dem ganzen Spiel des Lebens, meinetwegen, auch beisteuern
00:18:32: kannst.
00:18:33: Ja, das geht mir auch so.
00:18:36: Und ich merke auch für mich selber jetzt mal abgesehen von dem, was ich gerade noch an
00:18:39: Gedanken und drumherum hatte, für mich selber ist es ein ganz wichtiger Satz für genau die
00:18:45: Momente, wo ich zögere.
00:18:47: Also unsere Frage, Anne, was ziehen wir raus?
00:18:53: Was nehmen wir mit?
00:18:55: Und ich merke, dass ich tatsächlich dieses Bild, was ganz am Anfang entstanden ist,
00:19:00: gerade nochmal neu, wie sich so diese Wegplatte unter den Fuß schiebt, während ich gehe.
00:19:07: Das nehme ich mit als Bild der Zuversicht, dass in dem Moment, wo ich hadere, ob ich
00:19:12: mich traue zu gehen, einfach versuche, im Vertrauen den ersten Schritt zu setzen.
00:19:17: Einfach mal in Bewegung kommen.
00:19:19: Ganz, ganz sachte, einfach den Schritt zu gehen.
00:19:22: Und ich glaube, das kann ich abrufen.
00:19:27: Ich glaube wirklich, das kann ich mitnehmen.
00:19:29: Und in dem Moment, wo bei mir so eine zögere Haltung ist, kann ich das aktivieren.
00:19:34: Das freut mich total.
00:19:35: Ja.
00:19:36: Wie geht es dir?
00:19:38: Also ja, dieses Gedicht zahlt natürlich, oder dieser Satz aus einem Gedicht zahlt total
00:19:44: ein auf diese Stelle, wenn es darum geht, für die eigene Sache, für sich selbst das eigene
00:19:49: Vorhaben in die Bewegung zu kommen und man ist da in einer Blockade.
00:19:52: Und für mich ziehe ich hier raus, dass ich gar nicht so viel tun muss, aber auch nur
00:20:00: das tun kann, nämlich den nächsten Schritt machen.
00:20:03: Aber auch nur dann weiß ich, was danach kommt.
00:20:07: Die eine Möglichkeit ist eben, und das ist sehr verlockend, im stillen Kämmerlein sitzen
00:20:14: und ganz viel überlegen, was ist denn wohl zwischen Schritt 34 und 35, was wird da denn
00:20:20: wohl sein und wie komme ich bei Schritt 100 an.
00:20:23: Das bleibt etwas virtuelles und es bleiben Gedanken.
00:20:26: Und eine wirkliche Erfahrung im Sinne von, hat das eigentlich Sinn, was ich vorhabe,
00:20:33: wirkliche Daten kann ich darüber nur sammeln, wenn ich einen Schritt vorn anderen mache
00:20:38: und vielleicht auch den nächsten oder den ersten, meine ich.
00:20:42: Das ist alles, was ich tun kann, bei dem ganzen Spiel.
00:20:45: Und das ziehe ich jetzt hier raus.
00:20:46: Und ich finde es auch empfehlenswert, hier nochmal das gesamte Gedicht von Martin Walzer
00:20:53: Mut zu lesen, denn da steckt noch ein bisschen was drin, denn diesen Schritt zu machen, diesen
00:20:58: ersten oder immer wieder einen Schritt zu machen, natürlich ist es eine Frage von
00:21:01: Mut und Herr Walzer kann hier vielleicht noch ein bisschen was liefern.
00:21:05: Ja, wir werden es nochmal lesen.
00:21:10: Ja, tausend Dank, Anne.
00:21:11: Super Zita, dank dir.
00:21:12: Danke dir für deine Gedanken und ja, Change Poetry für heute mit Martin Walzer.
00:21:19: Yes, super.
00:21:20: Bis zum nächsten Mal.
00:21:22: Ciao.
00:21:23: Tschüss.
00:21:24: Tschüss.
Neuer Kommentar