#18 Martin Walser: Warum Du Deinen Weg gehen kannst, ohne ihn zu kennen!
Shownotes
Das eigene Vorhaben erscheint häufig kompliziert und aufwendig. Wir meinen, 1.000 Dinge vorab bedenken und planen zu müssen. Und es liegt vermeintlich komplett in unserer eigenen - und nur in unserer eigenen - Verantwortung, dass es vorangeht. An dieser Stelle bietet der Schriftsteller Martin Walser eine andere Sichtweise an: Wir haben viel weniger zu tun, als wir glauben - und bekommen jede Menge Hilfe von außen… erfahre mehr dazu in dieser Folge von Change Poetry!
Über CHANGE POETRY: Susanne Backer und Arne Bremer überraschen sich wechselseitig mit Fundstücken aus Gedichten, Reden, Filmen und Musik. Sie testen, was passiert, wenn man diese Worte zum ersten Mal hört. Bringen sie uns in Bewegung? Ein Spaß für alle, die auf spannende Zitate stehen und Inspiration für Lebens- und Changethemen suchen. Du hast ein tolles Zitat oder eine Anmerkung? Schreib an post@change-poetry.de.
In dieser Folge von Change Poetry bringt Arne die letzte Zeile aus dem Gedicht “Mut” von Martin Walser mit: “Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.” Es stammt aus seinem Buch “Wer kennt sich schon. Lektüre zwischen den Jahren” (1992).
Gesprächsinhalte:
- Zitat bei 01:33
- Macht ein Bild auf: Man sieht die Schritte vor sich und wie die Wegplatten sich unter die Füße ziehen. Bloß nicht stehen bleiben, sonst gibt´s keine Platte mehr!
- In dem Moment, wo ich auch nur einen kleinen Schritt mache, zeigt sich die Wegplatte und ich sehe einen Teil des Weges. Es geht darum, in der kleinsten Bewegung zu bleiben und zu schauen, wo es mich hinträgt.
- Sagt aus: Alles, was ich machen muss, ist den nächsten Schritt zu machen. Dann wird der Boden da sein. Und was passiert, passiert. Ich mache den Boden nicht selbst, meine Aufgabe ist es, den Schritt zu machen. Eine spannende Logik!
- Es bedeutet viel Mut, in die Bewegung zu gehen, ohne vorher zu wissen, was sich dann zeigt.
- Leistungsgesellschaft verlangt immer nach Plänen. Leben an sich funktioniert aber eher wie hier beschrieben. Es ist aber gut, eine Idee davon zu haben, wer wir sind und wo wir hinwollen.
- Erinnert auch die Journaling-Praxis: Während man schreibt, ergeben sich intuitiv die Worte. Das ist eine ähnliche Bewegung. Beruhigend: Es passiert da auch etwas außerhalb von mir, das sich kümmert und den Weg unter meine Füße schiebt. Das ist geheimnisvoll!
- Wir halten uns in einem größeren System auf und dieses Gefüge leitet uns auch dort an, wo wir den nächsten Schritt nicht kennen. Größerer Sinnzusammenhang nimmt uns mit in die richtige Richtung.
- Zusammenspiel von Körper und Geist: Durch körperliche Bewegung kommt auch der Geist wieder in Gang und verstoffwechselt anders. Das kann man nutzen, etwa durch Spaziergänge. Wenn es hakt im Kopf, kann es sehr hilfreich sein, den Körper zu bewegen.
- Es stecken auch agile Prinzipien in dem Satz: Nächster Schritt, anpassen, verwerfen, irgendwann ist man da.
- Arawana Hayashi von Otto Scharmers “Theory U”: “Social Presence Theater”, über Bewegung des Körpers Changeprozesse aktivieren. Über den Körper kann man den nächsten wahren Schritt herausfinden.
- Warum haben wir Angst davor, in die Bewegung zu gehen?
- Dieser Satz gibt die Antwort: Wir haben zunächst immer die Sehnsucht, den Weg zu kennen, um ihn gehen zu können. Dafür ist aber die Welt zu komplex, man kann den Weg nicht kennen. Deswegen sind wir in der Blockade. Dieser Satz bietet die Lösung, indem er sagt: Du kannst trotzdem gehen. Denn in dem Moment, wo Du den Schritt machst, kannst Du den Weg sehen und deswegen doch gehen, denn der Boden wird da sein. Heißt aber auch, dass der Stehenbleibende niemals den Weg wird sehen können. Losgehen ist der Teil, den ich leisten muss.
- Der Satz ist ein Aufruf zum Mut, die vorgefertigten, auf Sicherheit angelegten Gesellschaftsbahnen zu verlassen. Denn das, was dann wartet, ist vielleicht viel stimmiger für einen selbst. Und die Belohnung größer.
- Immer wieder herausfordernd. So knackig der Satz ist, so herausfordernd bleibt es, immer wieder nach vorne zu gehen. Wenn ich an diesen Satz glaube, habe ich schon einen Teil der Angst genommen.
- Vertrauen, darauf, dass etwas kommt, ist hier ein zentrales Thema. Wenn ich das Bewußtsein für dieses Urvertrauen habe, kann ich diesen Moment trainieren wie einen Muskel.
- Es bleibt aber ein Wagnis und es gibt genau so Menschen, die dabei alles und sich selbst verloren haben.
- Vielleicht ist das aber das allgemeine Lebensrisiko. Denn etwas anderes, als den nächsten Schritt zu tun, können wir gar nicht machen.
- Wichtiger Satz für Momente des Zögerns. Das Bild der sich bildenden Bodenplatte hilft in dem Moment, doch den nächsten Schritt zu wagen. Das lässt sich aktivieren.
- Daten über mein Vorhaben kann ich nur sammeln, wenn ich einen Schritt vor den anderen mache. Ansonsten bleiben es reine Gedanken im stillen Kämmerlein.
- Es bleibt eine Frage des Mutes, hier lohnt es, das gesamte Gedicht Walsers zu lesen.
Martin Walser bei wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Walser
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